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Kontakte knüpfen


Landeslehrgang in Malente mit Ulrike Serak, 6. Dan Aikido (Aikido-Föderation Deutschland)

Eine volle Matte und ein überbuchter Lehrgang: Meisterin Ulrike Serak aus Berlin war bei uns wirklich ein „Publikumsmagnet“. Aufgrund persönlicher Kontakte war es uns gelungen, sie in den hohen Norden zu einem AVSH-Lehrgang ins SBZ Malente zu „locken“. Der Ort war ihr nicht fremd, hatte sie doch selbst hier schon einmal an einem Lehrgang teilgenommen. Das „Publikum“ kannte sie nicht - oder sagen wir überwiegend nicht. Schließlich waren insgesamt von den 32 Aikidoka, die zugelassen werden konnten, sechs weitere mit aus Ulrikes „Berliner Schule“ angereist, u.a. auch Max Eriksson Ohlwein, 5. Dan Aikikai und Ulrikes Dojopartner. Meinen Mann und mich kennt sie, da wir regelmäßig bei ihr in Berlin ins Dojo zum Training kommen.

Der Norden zeigte sich mit bestem Wetter und hochmotivierten und neugierigen Aikidoka von seiner besten Seite. Nachdem alle ihr Zimmer bezogen hatten - oft in ungewohnter Konstellation, da es fast nur Vierbettzimmer gab - fanden wir uns dann zur Nachmittagseinheit auf der Matte wieder.

Ulrikes „Aufwärmprogramm“ unterscheidet sich deutlich von der bei uns im DAB praktizierten Aufwärmgymnastik und wird so oder ähnlich in der ganzen AFD (Aikido Föderation Deutschland, die Christian Tissier als Shihan hat) praktiziert. Neben dem festen Ablauf an Dehnung, Kräftigung und Mobilisierung der Gelenke spielt auch die Stimulierung des Ki-Flusses eine große Rolle. Die Übungen sind schon für sich genommen sehr wohltuend.

Weiter ging es dann gleich mit einem der zentralen Aspekte von Ulrikes Aikido: Kontakt.

Die Partner standen mit den Schwerthänden aneinander und führten den anderen jeweils abwechselnd auf der Linien und in die Drehung. Hieraus entwickelte Ulrike dann den ersten Bodenhebel (Ikkyo) in einer für uns recht speziellen Form: Uke wird hinuntergeführt, dann lässt man ihn oder sie hochkommen, indem man die Linie verlässt. Dann wird der Ellenbogen der Kontaktpunkt und Nages zweite Hand wird frei. Uke merkt, dass diese gefährlich werden könnte, beugt den Arm, um sich zu schützen und schon ist der geknickte Arm da, den wir brauchen, um die Technik sinnvoll vor dem Zentrum geführt zu beenden.

Sinnvolle Bewegungen ist auch so ein Stichwort. Dazu gehört, die eigenen Schwerthände vor der Körpermitte zu lassen und nie gegen den Kontaktpunkt zu drücken oder an Uke zu zerren. Schwerthände bzw. Schwerter, die sich berühren, kleben quasi aneinander.Wenn wir Uke drücken oder ziehen, übermitteln wir außerdem viel zu viele Informationen und er/ sie kann sich einstellen auf das, was man machen möchte. Gar nicht gut. Also scheinbar absichtslos führen.

Aus dem Angriff Shomen-uchi übten wir vor dem Abendessen verschiedene Wurfechniken wie z.B. Irmi-nage und Sumi-otoshi.

Auch beim Abendtraining ging es um das Thema Kontakt. Uke und Nage müssen die ganze Zeit während der Technik Kontakt halten, damit eine freie Hand nicht irgendetwas Unkontrolliertes zum Kontern machen kann.

Die Gleichgewichtsbrechung übten wir dann bei Kaiten-nage-uchi und -soto und einer interessanten Form des Kokyu-nage, wo man nach einem Hanmi-Wechsel über die Verbindung der Arme mit lockerer Hand Uke über seine Achse wirft. Dabei konnte man einen Energiekreis spüren, der sich bei richtiger Stellung und Ausführung zwischen Uke und Nage bildete. Sehr spannend.

Am Abend nutzen wir dann die Gunst der Stunde, um im Flensburger Salon ein Schwätzchen zu halten oder, wie wir bei uns im Norden sagen, Einen auszuschnacken. Auch das gehört zum Kennen lernen dazu und macht viel Spaß.

Am Sonntag machte Max eine Stunde Kenjutsu mit uns und vermittelt uns einige Grundlagen der Arbeit mit dem Schwert. Im Berliner Dojo ist das auch sein Arbeitsbereich. Neben dem „normalen“ Training gibt er den Unterricht in Kenjutsu. Einige Grundlagen erklärte er uns sehr anschaulich:

Ziel der Arbeit mit dem Ken ist, dass das Schwert ein Teil des Körpers wird. Die Arme müssen sehr entspannt sein, damit das Schwert durch sein Eigengewicht fällt. Für den Angriff Shomen-uchi gilt: Ausholen hoch in die Luft und nicht zu weit nach hinten, dann das Schwert mit einem Schritt nach vorne fallen lassen. Die Kunst ist nun, dass die Muskeln den Fall des Schwertes nicht behindern, sondern unterstützen. Das braucht viel Übezeit. Schließlich ist Timing gefragt. Schnitt und Fuß müssen nämlich zusammen ankommen. Wir übten dann die recht bekannte Übung der vier Richtungen und dann der acht Richtungen.

Um die Kontrolle und den Abstand zu üben, machten wir eine Partnerübung: Uke schützt sich mit seinem Schwert quer vor dem Kopf, Nage soll treffen und seine Energie fließen lassen.

Den Abschluss der Sequenz bildete eine Abwehr. Es galt Shomen-uchi abzuwehren, indem das eigene Schwert von unten kommt, das angreifende Schwert beiseite schlägt, aber die Bewegung nach oben fortsetzt. Das kann man dann auch unendlich im Wechsel machen.

Im zweiten Abschnitt des Trainings ging Ulrike u.a auf die Sauberkeit des Angriffs ein. Nur ein gut und vor allem sinnvoll ausgeführter Angriff ermöglicht die Ausführung einer bestimmten Technik.

An Shomen-uchi und Yokomen-uchi bearbeiteten wir dies Thema nun genauer. Ulrike empfiehlt bei beiden Angriffen vorne auszuholen. Erst im Moment, wo sich die Hand wieder zum Schlag senkt, wird der Unterschied deutlich: Bei Yokomen-uchi geht der Schnitt dann quer durch das Gesicht.

Aufpassen muss man auch, dass beim Ausholen die Hand immer im eigenen Aktionsbereich bleibt und man nicht zu weit von hinten ausholt. Orientierungslinie ist das Halten eines Schwertes, also sollte man knapp und vor dem eigenen Körper ausholen. Diese Prinzipien übten wir anhand der Techniken Kokyu-nage, Sumi-otoshi, Shiho-nage, Kote-gaeshi, Kaiten-nage und Ikkyo.

Ulrike betonte immer wieder, dass es wichtig sei zu wissen, wo die Füße stehen. Klarheit der Angriffspositionen und der Hanmi-Positionen insgesamt ist gefragt. In der AFD gehen der Angriff Shomen-uchi und Yokomen-uchi in der Basisform immer von hinterem Fuß/ Hand aus, die mit Schritt nach vorne kommen. Für diese wichtige Basisarbeit muss man viel Zeit aufwenden.

Interessant fand ich auch ihre abschließenden Ausführungen über die drei Phasen des Übens.

Die erste Phase des Übens ist die, wo man aufnimmt, was der Lehrer oder die Lehrerin sagt. Man kopiert und es findet noch keine kritische Auseinandersetzung statt.

Die zweite Phase beinhaltet die kritische Auseinandersetzung mit der Technik zum Finden des eigenen Standpunktes: Man probiert verschiedene Dinge aus, dies aber immer in Respekt mit dem eigenen Ursprung

In der dritten Stufe, die kaum jemand erreicht, vergisst man die Form, man löst sich davon. Dies ist die Stufe der wirklichen Meisterschaft. Diese Stufe erreicht man, wenn überhaupt, nur nachdem man die vorherigen durchlaufen hat. Ulrike nutzte den Vergleich mit Malern, die abstrakt malen und die Form vergessen haben. Sie beherrschen aber alle gegenständlichen Techniken perfekt. Es geht aber hier um den Schritt weiter darüber hinaus.

Im Aikido sind die Übungsformen gemacht, um Prinzipien zu üben: Stand, Abstand, Kontakt. Wir treffen im Training immer Absprachen, um bestimmte Sachen zu üben. So muss man dann, wenn Nage ausgewichen ist, akzeptieren, dass der eigene Angriff ins Leere ging, nicht erfolgreich war. Man sollte sich dann entspannen, um frei zu sein für Neues, was daraus entsteht und nicht verkrampfen und in den Kampfmodus verfallen. Das bringt nichts. Die Dinge entstehen logisch aus dem Kontakt zwischen Uke und Nage, d.h. aus der Begegnung zweier Menschen.

Um Begegnung von Menschen zweier Verbände mit unterschiedlicher Etikette und stilistischer Ausprägung ging es auch auf diesem Lehrgang. Das ist uns richtig gut gelungen. Alles fügte sich harmonisch auf und neben der Matte, bei allen Unterschiedlichkeiten. Für viele von uns war vieles neu und muss erst mal sacken. Aber jeder konnte von Ulrikes und Max' Training profitieren, jeder hat etwas mitgenommen.

Dass so viele Aikidoka und auch überdurchschnittlich viele Frauen und Mädchen diesmal den Weg nach Malente gefunden haben, zeigt, dass es nicht egal ist, wer als Lehrer oder Lehrerin vorne steht.

Mit Ulrike und Max hatten wir wirklich zwei hochkarätige Meister zu Gast. Vielleicht sieht man sich ja im Norden oder in Berlin mal wieder. Ulrike hat schließlich alle Teilnehmer eingeladen, mal bei ihnen im Dojo vorbeizukommen.

Frauke Drewitz
Sachbearbeiterin Öffentlichkeitsarbeit des AVSH

Fotos: Ulrich Schümann