Aikido-Biografie: Ulrich Schümann

17. Mai 2016 Sonstiges

Ulrich blickt mittlerweile auf eine Anzahl an Jahren der aktiven Aikido-Praxis zurück, die manch einer von uns nicht einmal als Lebensjahre hinter sich gebracht hat. Vor 46 Jahren begann er – damals grade 14 ein halb Jahre jung – im Jahre 1970 bei Rolf Brand in dessen neu aufgebauter Gruppe mit dem Aikido in Bad Bramstedt. Rolf hatte diese Gruppe als 2. oder 3. Dan neu gegründet und mit Ulrich zusammen trainierten viele seiner dann langjährigen Weggefährten (-wie z.B. Roland Nemitz, Christiane Zanter, Heike Griep, Hans Carstens und Matthias Ahrens-), von denen einige noch aktiv sind.

Ab 1973 übernahm Ulrich dort als Übungsleiter mit Roland (als Blau- oder Braungurt) eine neue Kindergruppe. Beruflich (Ulrich begann nach dem Abitur beim BGS, heute Bundespolizei) verschlug es ihn zunächst nach Walsrode, dann nach Lübeck. An beiden Orten gründete er Aikido-Abteilungen.

Im Jahr 1980 wurde Ulrich nach Bad Bramstedt versetzt und baute seine heutige Aikidoabteilung im Verein in Boostedt auf.
Das Aikido, das Ulrich nun schon mehr als 10 Jahre seines Lebens begleitet hatte, war schließlich auch maßgebend dafür, dass er seine Frau Lilo kennenlernte. Auf einer Vorführung in Ahrensburg sahen sie sich und beschlossen bald darauf den Lebensweg und den DO gemeinsam zu gehen. So ist, was das Aikido in Boostedt und darüber hinaus betrifft, Ulrich ohne Lilo nicht zu denken und umgekehrt. Lilo unterstützte und unterstützt Ulrich in Boostedt tatkräftig durch die Leitung Kindergruppe. Der Boostedter Verein ist ein kleiner Verein, seine Aikidoabteilung aber ist bei allem Wechsel der Mitglieder doch geprägt von einem konstanten harten Kern und von Aikidoka, die bereits z.T. seit über 30 Jahren bei Ulrich lernen und schon lange Schwarzgurte sind. Für seine Verdienste um den Verein erhielt Ulrich denn auch vom Verein 2012 die Ehrung zum „Sportler des Jahres“. In der schleswig-holsteiner Aikidolandschaft ist der TSV Boostedt unter Ulrichs und Lilos Führung eine feste Größe.

Ulrichs Entwicklung startete unter seinem Lehrer Rolf Brand, bei dem er von 1970 bis 1993 lernte. In diese Zeit fielen seine Prüfungen zum 1. bis 4. Dan: 1. Dan am 22. Nov. 1974, 2. Dan am 14. November 1976, 3. Dan am 16. Juni 1986, 4. Dan am 12. Mai 1989.

In dieser Zeit begann auch Ulrichs Engagement auf Bundesebene. Von 1977 bis 1997 war er Mitglied der Technischen Kommission des DAB und von 1987 bis 1992 Bundesreferent Lehrwesen.

Im Jahr 1993 wechselte er dann in das Amt des Vizepräsidenten Technik. Da er hier, wie es seinem Wesen und seinem Anspruch an sich selbst entspricht, eigenständig denkend inhaltliche Akzente setzen und somit sein Amt ernst nehmen und entsprechend ausüben wollte, kam es zum Bruch mit seinem Lehrer Rolf Brand, der mit diesem Selbst- und Amtsverständnis nicht umgehen konnte oder wollte. Ulrich gab darauf sein Amt ab und besuchte daraufhin die Bundeslehrgänge des DAB, die damals ausschließlich Rolf leitete, nicht mehr. Dies hatte zur Folge, dass mit dem Verlust der Prüferlizenz auch der Platz in der Technischen Kommission verfiel.

Für Ulrich folgte eine Phase der „Diaspora“, hier zu verstehen als Zeit der Rückbesinnung und Analyse, in der er nach eigenen Angaben bisherige Dogmen, die im Aikido galten, hinterfragte. Er versuchte von nun an eigene Vorstellungen im Aikido zu realisieren und nicht „nachzumachen, was andere Leute machen.“ Ulrich sagt dazu: „Ich lerne bis heute von meinen Schülern. Grade die Anfänger, d.h. die nicht konditionierten Ukes zeigen einem deutlich die Schwachstellen der eigenen Technik auf.“ Natürlich schwamm Ulrich aber auch in dieser Zeit nie im eigenen Saft. Er besuchte stets in- und ausländische Lehrgänge bei anderen Meistern wie z.B. die Meister Noquet, Brun oder auch Tissier. Mit seinem geschulten analytischen Blick betrachtet Ulrich bis heute neugierig und aufgeschlossen, welche prägenden Merkmale das Aikido des anderen Meisters bzw. der Meisterin jeweils ausmachen. Wenn ihn diese Merkmale überzeugen, prüft er, was er davon in sein eigenes Aikido integrieren kann. So hat ihn z.B. bei Tissier der Aspekt der Kontaktaufnahme mit dem Uke und das Eingehen auf dessen Aktionen geprägt. Diese ermögliche ein Lösen von der starren Form bzw. dem „Korsett“ der Form.

Ulrichs heutige Technik im Aikido lässt sich denn vielleicht auch folgendermaßen beschreiben:
Er verbindet große körperliche Beweglichkeit (großräumiges Sabaki) und Bewegungsfreude mit einer höchst effektiven Umlenkung der Kraft des Angreifers unter kleinräumigem Einsatz der Tegatana.

Aufgrund von Umstrukturierungen im Bundesverband begann Ulrich sich nach dem Abgang von Rolf Brand erneut auf Bundesebene zu engagieren. Neben der Rückkehr in die Technische Kommission ist hier zu erwähnen, dass er von 2007 bis 2015 erneut als Bundesreferent Lehrwesen tätig war. Auf Landesebene engagierte er sich lange Jahre bei uns als Technischer Leiter und organisierte besonders die Landeslehrgänge im Bildungszentrum Malente perfekt. Derzeit ist Ulrich im AVSH- Vorstand als Lehrwart engagiert. Wer Ulrich aus der Gremienarbeit kennt, weiß dass er sich für die inhaltliche Arbeit begeistert, weniger für die sportpolitischen Belange. Ihm ist es eigen, z.B. bei Anträgen, Projektideen oder Prozessen der Umgestaltung hinter das Vordergründige zu schauen und die logische Begründung einer Idee zu überprüfen. Ulrich gewinnt man nur, wenn er aus eigener Kraft eine eigene Überzeugung entwickeln kann; sich lediglich begeistert mitreißen zu lassen, liegt ihm fern. Tief verankert in ihm ist seine humanistische Prägung, die ihn Autoritätsgläubigkeit ablehnen lässt, da diese die Gefahr des Missbrauchs birgt. Er hält es für die Pflicht eines jeden, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Wenn man ihn also in einem Gespräch die eigenen Argumente nicht gründlich erläutern kann, muss man sich auf Kritik und ironisch-bohrende Fragen einstellen. Einem spannenden inhaltlichen Streitgespräch ist Ulrich denn auch selten abgeneigt. Sind die eigenen Argumente nachvollziehbar, hat man eine realistische Chance, ihn auch mal zu überzeugen.
Gefragt, was ihn bei der ehrenamtlichen Arbeit auf und neben der Matte besonders interessiere, sagt Ulrich: „Für mich steht das Aikido im Mittelpunkt. Beim Aikido findet man Wegbegleiter und auch das Zwischenmenschliche spielt eine große Rolle. Außerdem ist es interessant zu sehen, wie sich die Persönlichkeit eines Menschen durch das Aikido entwickelt.“

Die Graduierung zum 7. Dan durch die Technische Kommission des DAB am 1.4. 2016 ehrt so einen hochverdienten und reifen Meister. Der AVSH und seine Mitglieder sind stolz und glücklich und wir freuen uns auf den weiteren gemeinsamen DO mit Ulrich.

Frauke Drewitz
Sachbearbeiterin Öffentlichkeitsarbeit des AVSH